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Im Zweifel für die Übersicht

Text zur Ausstellung 'Koloman Kann Kreisläufe'

Von Cornelia Lein, 2022

Die Malerei hat es nicht immer leicht gehabt. Als Propaganda eingesetzt, als Projektionsfläche gebeutelt, vom Genie-Gestus vereinnahmt, mal für tot erklärt, dann wieder groß aufgeblasen. Doch sie hält sich unbeirrt, blickt uns besonnen an. Ist sie auch manchmal ermüdend anzuschauen, erschöpft hat sie sich nicht. Anything goes? Ganz so leicht wollen wir es ihr und uns dann doch nicht machen.Sie kann schon was, die Malerei. Die Bodenmarkierungen, die Jörg Heiser* als Orientierungshilfe im malerischen Diskurs bei Maria Lassnig und Gerhard Richter setzt, liefern pragmatische Hilfslinien, die Qualitäten der Malerei seit der Moderne abzuklopfen. Da Lassnig, die in der Auseinandersetzung mit ihrer Körperwahrnehmung und den performativen Qualitäten des Mediums der menschlichen Existenz humorvoll etwas Würde abringt. Dort Richter, der die Malerei vom Körper löst, als konzeptionelle Geste in ihrem medienreflexiven Charakter bestärkt und somit als Spiegel eines kollektiven Bild-Gedächtnis behauptet.


Es hilft halt nichts, ein bisschen eitel ist sie dann schon, die Malerei. Dreht sich ganze gerne um sich selbst. Zuweilen kann sie auch mal esoterisch daherkommen – muss sie aber nicht. In den Arbeiten von Koloman Kann wird alles offengelegt: Die Grundierung, die Imprimitur und Untermalung mit Acryl, darauf die Ölschichten. Die Motive gespiegelt und verschränkt, gedreht und wiederholt. Orientieren müssen wir uns selbst. Dabei soll alles im Blick sein, alles klar auf dem Tablett. Keine überbordenden Emotionen, keine großen Gesten. Gekocht wird schließlich auch hier nur mit Wasser. Das handliche 80 x 80 cm Format ist zurückhaltendes Programm das vorteilhaft in Szene setzt. Mit einem Wink an die Moderne muss es sich nicht mit Portrait- und Landschaftszuschreibungen aufhalten. Schon sind die vorgrundierten Leinwände unter den Arm geklemmt und lässig an den Malerfürsten vorbeigetragen.


Wie kommt denn hier nun das Bild ins Bild? Erst mal durchs Schauen natürlich. Kann beobachtet sein näheres Umfeld und lässt bewusst miteinfließen, was sich da so tut. Die Farbtuben, der Ateliernachbar, die Fotografie einer Weggefährtin, der Blick in den Spiegel. Die sichtbare Welt und ihre Repräsentation in der Malerei werden gleichwertig verhandelt. Zuerst werden die vier, fünf Farben für die Untermalung gemischt. Es geht darum, eine möglichst große Palette entstehen zu lassen. Auch ein paar grausliche Farben müssen Platz haben! Es darf schon ein bisschen piksen, so Kann. Es folgen die intuitiv angelegte Imprimitur, geometrische Unterteilungenund Bildausschnitte, die abfotografiert, digital bearbeitet und neu übertragen, sich selbst überlagern. Ist erst einmal begonnen, folgt Kann dem werdenden Prinzip. Bezieht die Ausschnitte weiter aufeinander. Wiederholungen. Spiegelungen. Spiralförmig auseinandergezogen. Was war denn nun zuerst da? Ob Stillleben, Selbstportrait oder Raumansicht: Die Komposition spielt mit einer versetzten Zeitlichkeit. Es entsteht eine Erzählung zwischen gegenständlich und ungegenständlich montierten Farbflächen. Ausgewählte Malereielemente werden mittels Fotografie isoliert und weiterentwickelt, um in die Malerei zurückgespielt zu werden. Die Debatte um eine Vormachtstellung der beiden Medien kostet Kann nur ein leichtes Achselzucken (aber Vorsicht, nicht, dass die Leinwände auf den Boden fallen)


Nun sag, wie hältst du’s mit der Narration? Die Rolle, die die Malerei im Bereich der (Selbst-) Emächtigung und Bedeutungshoheit politischer, religiöser wie persönlicher Erzählungen immer schon gespielt hat, ist bei weitem nicht mehr so groß wie zu Zeiten, in denen die originale Gretchenfrage noch im Zentrum des Auftrags ihrer Mäzen*innen stand. Umso mehr bietet sich die Malerei heute an, Erzählstrukturen und Bildregime zu hinterfragen. Als Spekulationsobjekt ersten Ranges kam sie der Entstehung kapitalistischer Märkte gerade gelegen. Dass die Malerei jedoch kapitalistischer wäre als andere Medien, lässt Kann nicht gelten. O-Ton frei nach Marx: „Es liegt nicht am Objekt selbst, das es zur Ware wird.“ Das Erhabene, das Abstraktion oft evoziere, möchte Kann wieder auf den Teppich bringen. Man könne mit der Malerei auch über einfache Dinge sprechen, zum Beispiel darüber, womit man als Künstler unter anderem sein Geld verdient. Die Bilder sollen auf mehreren Ebenen zugänglich sein. Wer genauer hinschaut, wird belohnt. Ein leiser, selbstironischer Protest mit linker Note schwingt im Detail mit. Das Selbstportrait des Malers wird in Unterleiberl und Badeschlapfen inszeniert. Der Arbeitsplatz im Großraumbüro unter Ausschluss der Farbe der Corporate Identity gemalt. Und das reproduzierte Anarchie-Graffiti an der Hauswand tut sich gemeinsam mit der Hausnummer zum titelgebenden A4 zusammen. Die politische Geste wird zum simplen Papier-Standardformat, das potenziell auf die vierteilige Bildserie und die vermeintlich enthierarchisierte Komposition gelesen werden kann.


Mit der Farbe kann man Sachen nachbauen, sagt Kann. Er malt was er sieht und setzt dann bewusst die Farben für oder gegen das gewollte Ergebnis ein. Die Linie ist hier abstrakt Gedachtes, nichts Körperliches, sondern eine Konstruktion, die zum Schluss als Rahmen gesetzt wird. Selbst linienartige Bildelemente haben keine gestisch dynamische Spur, sind gesetzte Fläche. Der gemalte Außenrahmen möchte den Inhalt zusätzlich von der Welt abgrenzen. Das Gesehene, das ursprüngliche Bild, wird sich selbst zum Kontext. Man soll sie lange anschauen können, die Malereien – aber nicht darin versinken, erschlagen oder überwältigt werden. Immer das ganze Bild im Blick. Hin und wieder dürfen sich Formen und Farben intuitiv im Malprozess einschleichen. Die Skepsis gegenüber der Geste, der Behauptung, einer Endgültigkeit ist erwünscht. Ein Bild kommt schließlich selten allein. Im Zweifel dürfen wir uns weiterhanteln. Kanns serielles Spiel mit der Wiederholung der Motive lässt kritisches wie poetisches Potenzial entfalten. Wenn sich die Spuren auch mal verwischen und auf falsche Fährten führen. War das Rot nicht rechts?, Kann dreht die Leinwand im Studio um und lacht. Auch für eine kleine Scharade ist sich die Malerei schließlich nie zu schade.



*Jörg Heiser, Plötzlich diese Übersicht. Was gute zeitgenössische Kunst ausmacht, 2007 (Den Titel hat er von einer Arbeit von Peter Fischli & David Weiss stibitzt.)